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Joanna, oder Vom Träumen (German Writing)

Joanna, oder Vom Träumen)
[German Writing]
For The Fallen Dreams (Don't Follow Me)
Ist das nicht seltsam wovon ich einst träumte und nun, wo ich alles tun könnte, doch nur hier in meinem Zimmer wachliege und stumm nach draußen blicke? Der alte Baum vor dunkelblauem Sommernachtshimmel.
[2019/08/17, Sommereinsamkeit]
Im Morgengrauen, der Schnee schmutzig auf Feldern, Wiesen und Wegen, kommst Du mir unerwartet entgegen. Noch als ferne Gestalt, ganz hinten am Waldesrand, weiß ich doch sofort, dass Du es bist. Schon zu lange kennen wir uns, als dass ich nicht wüsste, wie Du gehst. Da ist etwas, in der Art und Weise wie Du einen Schritt nach dem anderen machst, für das ich zwar keine Worte finde, es aber augenblicklich wiedererkenne, auch auf hunderte Meter. Als wir uns nähergekommen sind, wandern unsere Blicke schüchtern umher, streifen einander, bis wir schließlich voreinander stehenbleiben. Wir grüßen uns, ich sehe Dich an und frage, wie es Dir so geht. Doch Du schweigst, und siehst zur Seite. Suchst am Horizont nach etwas, das außer Dir vielleicht niemand sehen kann, auch wenn ich mir das wünschte. Dass ich von Dir geträumt habe, sage ich nun in die Stille hinein. Dein Blick flackert, wandert, und bleibt schließlich doch für einen Moment bei mir ruhen. Ein kleines Lächeln in Deinem Gesicht, gerade so, dass es nur jene sehen können, die Dich schon lange kennen. Schön ist das, weit besser als vergangene Tage, die wie Schatten schon zu lange an der Seele haften. Jetzt, wo Du für einen Moment lächelst, weiß ich, dass auch Du von mir geträumt hast. Einen Film habe ich sogar einmal über dieses Phänomen gesehen. Zwei Menschen, die, ohne es anfangs zu wissen, voneinander träumen, sich Nacht für Nacht darin begegnen. Ein jeder darin ein Reh, tief im Wald unterwegs, an Bächen und Lichtungen. Wo wir in ihrem Traum gewesen seien, frage ich sie, während wir, jetzt zusammen, in Richtung der alten Kastanie gehen. Der Schnee schmilzt, tropft nass von den Bäumen, verfängt sich in ihren Haaren, und unseren Worten.

Bald sind es zwei Jahre, dass ich Dir, aus irgendeinem wirren Impuls heraus, mit dem Rad hinterhergefahren war. Gerade noch so hatte ich Dich vor Deinem Haus erwischt, bevor Du gefühlt auf immer darin verschwunden wärst, zumindest hatte ich das befürchtet. Seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, wie lange war das her? Zehn, zwölf Jahre? Ein Sommertag, die Abendsonne verschwand bereits hinter den Hausdächern. Letztes Abendlicht warm in Deinen Haaren. Nervös war ich, mein Herz klopfte, der Blick unstet. Es fehlte nicht viel und ich hätte mich verhaspelt. Vielleicht war mir zuvor nie klargewesen, wie sehr ich versucht hatte, von dieser Zeit, die uns verband, davonzulaufen. Dass ich zwar nicht Dich, aber all das andere, vor allem die Menschen, hinter mir zu lassen versuchte. Wie es Dir so gehe und ob Du etwas von den anderen gehört hättest, fragte ich Dich. Irgendwann hast Du dann davon erzählt, dass Du vor wenigen Wochen geheiratet hättest. Im kleinen Kreis, fast ein wenig im Geheimen. Heiraten, wie fremd mir das schien. Waren wir beide schon so alt, dass wir heiraten? Nicht uns, aber eben andere, die wir noch gar nicht kannten, als wir es taten. Gefreut hatte ich mich schon für Dich, doch waren wir mir plötzlich so seltsam fremd vorgekommen. Zu gerne hätte ich mehr von Dir erfahren. Zu gerne hätte ich Dir gesagt, wie sehr Du mir gefehlt hattest. Und vielleicht hätte ich, wenn ich nicht alle Hände voll damit zu tun gehabt hätte, nicht auseinanderzufallen. Hier, vor Dir.

Ganz ohne weitere Verabredung haben wir uns dann verabschiedet. Wenige Minuten später lag ich alleine in meinem Bett, sah still zum Fenster hinaus. Die große Linde vor dem blauen Sommernachtshimmel. Die Blätter raschelten leise, und mein Herz schlug mir noch immer bis zum Hals. Wie wäre das, ein Leben mit einem Menschen wie Dir verbracht zu haben, fragte ich mich. Auch wenn ich gar nicht so genau wusste, was ich damit meinte, so ein Mensch wie Du. Jemand, der mich offen ansieht, der so schön ist, wie Du? Einer, in dessen Augen ich blicke, für Sekunden, eben gerade so lange wie es der Anstand zulässt, und ich mich doch unweigerlich fragen muss, was wohl noch alles dahinter verborgen ist? Ob da nicht vielleicht ein ganzes Leben darin läge, in diesen Augen.

Deinen Vater sehe ich manchmal. Frühmorgens in der Winterkälte auf meinen Spaziergängen. Auch er zieht stetig und alleine seine Runden am Waldesrand entlang. Außer uns beiden, die wir in Sekundenschnelle aneinander vorbeigehen, nur dann und wann ein Reh auf den nahen Hügeln. Wir grüßen einander, aber ich glaube nicht, dass er weiß, wer ich bin, noch dass ich es bin, der manchmal von Dir träumt. Eigentlich weiß niemand davon.

Vor wenigen Tagen habe ich wieder von Dir geträumt. Ich schlief in meinem Wagen, parkte etwas abseits der Straße unter großen Tannen. Minusgrade in der Nacht, ein Schneesturm, der zornig und unentwegt an meinem kleinen Zuhause rüttelte. Der Schnee bedeckte nach und nach die Scheiben, der Blick nach draußen, hinein in die einsame Nacht, schwand mehr und mehr. Erst weit nach Mitternacht fuhr ein Schneepflug vorüber. Ich wachte auf, und erinnerte mich an Dich. Wir waren gemeinsam unterwegs, doch Du sagtest mir gleich, dass Du kein Interesse an mir hättest. Schön, entgegnete ich, wir können doch trotzdem gute Freunde sein. Auch wenn ich wusste, dass das kein gutes Ende nehmen würde. Ich glaube, jeder wüsste das, der Deine Worte gesagt bekommen würde. Und ein wenig wütend warst Du auch auf mich. Und dann hast Du mich plötzlich geküsst. Ich habe Dich angesehen und Dir gesagt, dass ich nichts fühle, gar nichts fühlen kann. Da aber bist Du traurig geworden, trauriger als ich selbst, und hast das Weinen begonnen. Da wusste ich, dass ich Dich verliere. Und Du, Du hast das auch sofort gewusst. Dann bin ich wieder eingeschlafen, und am Morgen alleine aufgewacht. Ich bin aus meinem Schlafsack gestiegen, habe meinen Wagen von Eis und Schnee befreit, habe etwas gelacht bei all dem Schnee um mich herum und bin wortlos weiter durch den Winter gefahren. Alleine, so wie ich das immer mache. Und auch wenn ich wusste, dass ich ein Niemand bin und immer sein werde, war ich doch froh von Dir geträumt zu haben. Aber auch davon weißt Du noch immer nichts.

Das mit den Träumen ist schon seltsam. Dass sie geschehen, auf uns warten und selbst dann, wenn sie vorüber zu sein scheinen, doch in unserem Inneren irgendwo an einem unbekannten Ort verbleiben. Dass darin Menschen vorkommen, die wir kennen, und auch die, die wir nicht kennen und vielleicht niemals kennenlernen werden. Noch dass derjenige, dem wir darin wieder und wieder begegnen, etwas davon weiß. Wieso ausgerechnet Du es bist, von dem ich regelmäßig träume? Wer weiß das schon. Vielleicht ist das auch gar nicht wichtig, denn immer, wenn ich Dich sehe und Du eilig vor meinem Fenster vorübergehst, streife auch ich Dich nur mit einem Blick. Ich tue dann einfach so, als ob das alles ganz normal wäre. Aber weißt Du, es ist schön manchmal Deine Hand zu halten. Und das fehlt mir, beim Aufwachen.

2019/08/17 - 2021/02/02
Joanna, oder Vom Träumen (German Writing)
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